Was für eine tolle Woche in Korbach! Mit vier super-netten Menschen aus unserem Verein in einem hervorragenden Hotel an einem hübschen Ort ein Schachturnier zu spielen… was will man mehr? Nun ja, das Sahnehäubchen darf ich noch verarbeiten, es fühlt sich noch etwas surreal an. Eins nach dem anderen:
Das Hotel „Goldflair“ am Rathaus in Korbach kann ich jedem empfehlen, der auf dieser Ecke Übernachtungsmöglichkeiten sucht. Man spürt den familiengeführten Betrieb sehr schnell. Das ganze Haus ist mit Liebe ausgestattet worden, viele Details, die Zimmer mit einem Thema versehen und dementsprechend eingerichtet. Dazu moderne Badezimmer, großzügige Fernseher (wer kennt nicht diese Minifernseher, nur damit überhaupt einer im Hotelzimmer steht), und ein qualitativ hochwertiges Frühstücksbuffet. Sämtliche Mitarbeiter, die ich im Verlauf traf, hatten ein Lächeln übrig, was zu der freundlichen Atmosphäre des Hauses passte. Alleine wegen des Hotels habe ich schon Lust, nächstes Jahr wieder in Korbach zu spielen. Und: Nein, ich bekomme keine Provision für Buchungen, die aus dieser Lobhudelei entstehen. 🙂
Justus Sommer gewann im B-Open den Jugendpreis und reichlich DWZ. Fast schon Gewohnheit… und das mit immer noch neun Jahren. Etwas unzufriedener war unser Urgestein Ede, der nach eigener Aussage „praktisch in jeder Partie auf Gewinn stand“. Dafür wirkte er auf mich aus unserer Gruppe mit am fittesten gen Ende des Turniers, erstaunlich! Joa Bornholdt wird aus diesem Turnier eine Menge lernen, was ihn in Zukunft noch viel stärker machen wird. Auch wenn es sportlich nicht so gut für Ihn lief, bin ich guter Dinge, dass die Woche sehr hilfreich für seinen schachlichen Werdegang sein wird.
Tja, meine schachliche Woche bringt für mich viele neue Gefühle, mit denen ich teilweise noch nichts anzufangen weiß. Das verwirrendste ist für mich, dass ich bis zur siebten Runde nie in Verlustgefahr war. Hier ist der Disclaimer angebracht, dass ich die Partien noch nicht mit dem Rechner gecheckt habe und die Möglichkeit besteht, dass beide Spieler einen Gewinnweg übersehen haben. In der siebten Runde hat Robert Baskin mich nahezu komplett überspielt. Dazu später mehr.
Die ersten drei Runden gewann ich mehr oder weniger glatt. Am Ende des Turniers stellte sich heraus, dass der Sieg gegen Vadim Petrovskiy viel wert war, der Junge ist Jahrgang 2007 und gab neben der Partie gegen mich nur noch ein geschobenes Remis gegen seinen Trainer ab! In dem Alter hier Sechster zu werden, kann man wohl getrost als „vielversprechend“ bezeichnen.
In der vierten Runde dann der Härtetest gegen die Nummer Zwei der Setzliste, IM Danylo Shkuran. Durch einen Tempoverlust in der Eröffnung wurde die Partie nach 13 Zügen ein Spiel auf zwei Ergebnisse, mit Schwarz gegen einen Spieler dieser Spielstärke eine lange nicht erlebte Erfahrung für mich. Im Verlauf des Mittelspiels zeigte er starke Defensivqualitäten, und überstand auch etwa 12 Züge, die er mit dem Inkrement bestreiten musste. Das Remis geht in Ordnung, denke ich.
In der fünften Runde wurde ich gegen den dritten Spieler aus der Gruppe der Bad Emstaler – Ukrainer gepaart. Insgesamt fand ich die Gruppe symphatisch, mit Vsevolod Rytenko war die Sprachbarriere am kleinsten und wir konnten uns nach der Partie auf Englisch unterhalten. Hier war ich derjenige, der die Eröffnung misshandelte. Endlich mal ein sehr bekanntes Gefühl in dieser Woche! Etwas überraschend bot er beim Übergang ins Mittelspiel Remis an, welches ich dankend annahm. Vielleicht gewachsener Respekt durch meine Vorrundenpartie gegen den stärksten Spieler aus dieser Gruppe? Wer weiß…
Zum Start des letzten Tages war mein Ziel, das Turnier „sauber“ zu Ende zu bringen. Plötzlich brachte die Auslosung allerdings eine weitere Weißpartie. Natürlich ist Henrik Hesse von Mattnetz Berlin ein starker Spieler (noch Jugendlicher und annähernd 2300 Elo), die Situation empfand ich trotzdem wie gemalt dafür, kompromißlos auf Gewinn zu spielen und mir eine entscheidende Partie um den Turniersieg zu erarbeiten. Henrik lockerte im frühen Mittelspiel ohne Not seine Königsstellung, was ihm ihm sofort eine Mehrfigur brachte. Das war das erste Mal in diesem Turnier, dass ich Material rein für aktives Spiel opferte. Der folgende Mattangriff war schwer zu verteidigen, am Ende konnte ich in ein Endspiel 6 Bauern gegen Läufer und einen Bauern abwickeln, welches einfach gewonnen war. Henrik war sichtlich unzufrieden, da wird der Gewinn des Jugendpreises wenig Hilfe gewesen sein.
Die siebte Runde… Die Auslosung hätte für mich kaum schlechter kommen können. Ich weiß nicht, woran es lag, dass IM Robert Baskin in letzter Zeit so viel Wertung verloren hat, trotzdem habe ich einen Heidenrespekt vor seinem schachlichen Können. In so jungen Jahren IM zu werden, zeugt ja schon davon, dass er in seinem Leben mehr über Schach vergessen wird als ich jemals lerne. Dazu kommt, dass er in dieser Woche für meinen Geschmack sehr überzeugend spielte. Ich durfte also in den 5 Minuten zwischen Auslosung und Partiestart mein Mindset gerade rücken, um konkurrenzfähig zu bleiben. Das gelang mir nicht wirklich, denn Robert überspielte mich nahezu komplett, wie oben angedeutet. Irgendwann begann Robert, sehr aktiv weiterzuspielen, meiner Meinung nach konnte er mit sicherer Spielweise langsam, aber sicher die Stellung weiter verbessern und risikofrei gewinnen. Durch sein aktives Spiel bekam ich plötzlich Gegenspiel, der Mattangriff wurde für beide Spieler unübersichtlich. Direkt nach meinem ersten Opfer (Qualität) bot er Remis an. Sehr unangenehm, da ich zu dem Zeitpunkt keinen Gewinnweg für mich sah, weniger Material hatte und seinen auf die siebte Reihe vorgerückten Freibauern mitbedenken durfte. Allerdings ist es ein Zeichen, dass das Remisangebot zu dem Zeitpunkt kam, also spielte ich weiter. Der Angriff schlug dann komplett durch. Ich bin Robert dankbar, dass er bei meinem Damenopfer aufgab, bevor er die Dame rausnahm, was die Partie zu einem sehr schönen Ende führte (meine subjektive Sicht).
Durch das für mich überraschende Remis an Brett 1 (GM Misa Pap – Vsevolod Rytenko) war der Turniersieg sicher, da GM Lev Gutman schon in Runde Zwei ein Remis abgab und somit die schlechtere Buchholzwertung hatte.
Für den Endstand hier klicken, und noch ein Foto der Preisträger des A-Opens. Vielen Dank an Reinhard, Justus Vater, für die Aufnahme und Bereitstellung des Fotos.